Annie Krüger aktiv icons series combined vita text kontakt

 

 

// text

 

 

(...)Das Diptychon gehört zu einer künstlerischen Recherche, die Annie Krüger 2020 im Rahmen einer Residency
in Brünn - der tschechischen Partnerstadt von Stuttgart - begann und bei der sie architektonische Zeugnisse
aus der Bauhaus-Zeit zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit nahm.

Die in ihrer Gestaltung stark von geometrischen Grundformen geprägten Architekturen
- etwa ein Tramhaltestellen-Häuschen oder die Fassade eines Modesalons - erweiterte Annie Krüger um gemalte
Linien und Bänder. So entstanden temporäre Raumzeichnungen, die sich, aus unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet, auch immer wieder neu darstellten.
Bei der Tramhaltestelle beispielsweise schien es von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtet so, als wären die
horizontale Fenstersprossen durch Linien in den Raum hinein verlängert. Von der Seite aus gesehen, erwies sich dies
allerdings als Illusion. Denn dann wurde sichtbar, dass die Bänder eigentlich an einer Wand weiter hinten angebracht
waren. So entstand von einem anderen Ort aus gesehen wieder eine neue geometrische Komposition.

Es waren diese Versuchsanordnungen in Brünn, die Annie Krüger dazu inspirierten, auch die Architektur der Stuttgarter
Stadtbibliothek einer künstlerischen Recherche zu unterziehen.
Unter dem Titel - building_dockings - positionierte sie im Vorfeld dieser Ausstellung orangerote und blaugrüne Bänder
in der strengen geometrischen Architektur und schuf auf diese Weise unerwartete Sichtbezüge, die den Raum visuell immer wieder neu definierten.
Die im Rahmen dieser Arbeit entstandenen Fotos sind als grosse Plots hier auf unserer Stockwerks-Ebene im Bereich
Kunst und bei den DVDs zu sehen. Winkel, Flächen und Linien nehmen in den Bildern aufeinander Bezug und bringen
die kompositorischen Qualitäten des Gebäudes selbst zur Anschauung. Die eigentlich zweckgebundenen Elemente der Architektur - etwa Treppen und Geländer - verlieren weitgehend ihre funktionale Qualität zugunsten einer rein ästhetischen.
Der letztlich minimale Eingriff führt zu teils ausgesprochen spannenden Raumkompositionen, bei denen - übersetzt in
die Zweidimensionalität der Fotografie - oft nicht mehr genau auszumachen ist, ob eine Fläche eher im vorderen oder
hinteren Bildraum anzusiedeln ist oder in welcher Position eigentlich das farbig bemalte Band verläuft.

Ähnlich wie in einem Vexierbild kippen beim Hinsehen immer wieder die Raumbezüge.
Die Situation wird verunklärt, gewohnte Sehweisen auf den Prüfstand gestellt. Und es drängt sich ganz grundsätzliche
die Frage auf: Wie bilden wir durch unsere Wahrnehmung eigentlich das, was wir als - Realität - bezeichnen?
Bevor wir uns in den gebrochenen Raumillusionen der - building_dockings - aber ganz verirren, holt uns die Künstlerin
immer wieder auf den sicheren Boden der handwerklichen Produktion und der Materialität der künstlerischen Mittel
zurück.
Zuweilen durchaus auch mit einem Augenzwinkern. Etwa wenn in der sichtlich manuell aufgetragenen blaugrünen Farbe eines der Bänder ein gekräuseltes Pinselhaar unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht.(...)

Winfried Stürzl
Eröffnung - unseen moments - Stadtbibliothek Stuttgart, 2023




(...) Häufig und besonders in der Wahrnehmung zeitgenössischer bildender Kunst sind wir so bekanntermassen
nur zu gerne einem vereinfachenden, kategorisierenden Schubladendenken bzw. Schubladensehen verhaftet,
so dass uns die zahlreichen anderen, grösseren Zusammenhänge entgehen müssen, in denen viele dieser
Bildarbeiten stehen und entstehen. Wir sehen hier Zeichnung, dort Malerei, da bildhauerische Werke,
an anderer Stelle Installationen und anderes mehr, aber jedes jeweils für sich genommen. In der aktuellen
Ausstellung nun von Annie Krüger lassen sich dagegen unmittelbare wie gegenseitige Zusammenhänge und
Bezöge über die Grenzen einzelner bildnerischer Ausdrucksmedien und Gattungen hinweg unschwer erkennen.

Im Verlaufe eines kompletten Jahres, vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Mai 2018 genau, hat die in Stuttgart lebende
Annie Krüger jeden Tag und auf immer demselben Format (21 x 24 cm) so zum Beispiel sogenannte
Tageszeichnungen angefertigt.
Als intensive zeichnerische Zeit- und Raummessung des einmal festgelegten, zur Verfögung stehenden Papierareals
ist folglich der Komplex von insgesamt 365 Blättern angewachsen, von denen hier im Schauraum eine kleine
Auswahl ausgestellt ist:
es sind spektrale Gewebe, lichte Umfassungen, fragmentarische Umschreibungen imaginierter Körper,
teils unbewusst tiefseeisch oszillierende Bewegungsströme, Wellengänge und Linienschwärme aller Art.
(Versuchs)reihenhafte Lineaturen, geometre Figurationen in unterschiedlicher Farbgebung ist in ihnen
(den Zeichenblättern) in jedem Fall auch die malerische Fläche bereits vorgedacht.

Die Malerei ihrerseits formiert sich aus der Körperbewegung der Künstlerin selbst heraus, ist in einem einzigen
Schwung erfasst, der als isolierte Malspur und aus dem Papier ausgeschnittene Farbinsel wiederum einen
geradezu skulpturalen Charakter zu behaupten versteht.
Zu diesem Zweck stellt Annie Krüger beispielsweise für Kunst am Bau Projekte teilweise riesenhafte Pinsel her,
die in den sichtbaren Strukturen des Malduktus, der Strecke einer zurückgelegten Farbe, durchaus Analogien
zu den zeichnerischen Strichlagen und Bändern der kleineren Papiere zu erkennen geben.
Dachten wir nun aber, dass Annie Krüger mit den installativen Raumentwürfen ihres space draft
(so der Titel zur Ausstellung) vollends materialhafte, plastische Körper bilden müsste, sehen wir uns ein
weiteres Mal getäuscht. Da sie nämlich die unsichtbaren Rückseiten der ausgeschnittenen Papierformen
mit Leuchtfarbe beschichtet und sie mit einigem Abstand von den Wänden des Ausstellungsraumes befestigt,
ergeben sich eigentlich körperhafte Eindrücke, so absurd das zunächst auch klingen mag,
erst durch das rückwendige (bzw. inwendige) Erstrahlen und höchstens lichtvolumenhaltige Flimmern dieser Arbeiten.
Die Vorderseite des Papiers selbst stellt nur Mittel zum Zweck, Farbträger und rückwärtiger Bildgrund zu sein, dar.
Die kohärente Fläche also mitunter in Streifen und fragile Bahnen in Lichtlinienfälle aufgelöst und auf diese Weise
den Bildkörper mindestens in Teilen entmaterialisiert, sind wir neuerlich auf ephemerere Wesenseigenschaften
just des Zeichnerischen (anstatt denen der Malerei oder Skulptur) zurückverwiesen.
Der Beginn der Ideenfindung, von Form als Formation, muss sich gewissermassen erst im Akt der
Wahrnehmung selbst abzeichnen und ist somit im Wesentlichen auch vom Betrachter abhängig. (...)

Clemens Ottnad
Eröffnung SPACE DRAFT, Nürtingen Schauraum, 2018
 

 

 

 








Annie Krüger lenkt den Blick zurück auf das faktisch Anwesende: Den Pinselstrich, die Linie.
Extrahiert und vergrössert erscheinen die malerischen Mittel bei ihr als eigenständige Objekte. Der Bildraum erweitert sich in den Galerieraum hinein. Soweit entkernt lassen Titelgebung und formale Zusammenstellung dem Betrachter Raum für einen unverstellten Zugang zum Werk.

Vivien Sigmund
Eröffnung Taufrisch#2, Gedok -Galerie, 2016
 

 

 

 








(...) Annie Krüger führt in ihren Arbeiten die Malerei auf ihren Ausgangspunkt zurück: auf den isolierten Pinselstrich. Die Pinselspur, die bei den alten Meistern so fein sein konnte, dass sie auf der Leinwand nicht mehr als solche zu erkennen war, vergrössert die Künstlerin in Dimensionen, die sich bis zu über einen Meter ausdehnen können. So zum alleinigen Bildgegenstand gemacht, lässt die Nahsicht des potenzierten Pinselstrichs, ihn zum abstrakten Objekt werden. Die Farbspur auf weissem Papier ausgeführt, wird in ihrer prägnant gezackten, auslaufenden Kontur, einem Scherenschnitt gleich, ausgeschnitten. Mit Abstand von der Wand montiert, strahlt die farbige Unterseite auf die weisse Wandfläche. Die Farbe löst sich scheinbar von ihrem Trägermaterial und wird als visuelles Phänomen wahrgenommen. Annie Krüger gestaltet so einen Raum ausserhalb des Bildes. (...)

Margit Fritz M.A.
Eröffnungsrede 10 x 10, Zehnthaus Jockgrim, 2014
 
  // Duktus
- über Annie Krüger

Kunstportal Baden-Württemberg, 2017
von Jürgen Linde

>>kunstportal-bw

AnnieKrueger
 
  // Stuttgarter Zeitung

Lebensbilder, 2015
von Sabine Schwieder

>> Stuttgarter Zeitung






 
  // Alb Bote

2015

>> Alb Bote